«Noch 148.713 Mails checken» heißt es in einem Popsong von Tim Bendzko. Das Leben der Deutschen spielt sich im Internet ab.
Also nicht nur, aber auch – und in Corona-Zeiten besonders. Es gibt Familienfeste per Video-Konferenz oder Spiele-Abende mit dem befreundeten Pärchen über eine Spieleplattform statt am Esstisch. Nicht nur für den Job, sondern auch in der Freizeit ist man im Netz: E-Mails, Soziale Netzwerke, Streamingplattform, Musik, Shoppen, Rezepte, Artikel, Bankgeschäfte. Tablet, Smartphone, PC.
Wie sehr das Digitale ins tägliche Leben integriert ist, zeigt auch eine am Mittwoch von der Techniker Krankenkasse veröffentlichte Studie. 83 Prozent der befragten Männer sind demnach zu privaten Zwecken mehrmals täglich oder fast immer online. Bei den Frauen sind es 69 Prozent. Vergleichszahlen zu früheren Studien der Krankenkasse gibt es nicht, weil sie so erstmals konzipiert worden war.
In der Studie stehen Erwachsene zwischen 18 und 65 Jahren im Mittelpunkt. Die telefonische Befragung im Oktober ist repräsentativ für die gesamte Bevölkerung in Deutschland. Trotz der häufigen Präsenz im Netz sagen insgesamt 87 Prozent aller Befragten auch, dass sie versuchen, möglichst wenig Zeit im Internet zu verbringen.
Gefragt wurde auch nach dem Gesundheitszustand – und die Studienmacher schreiben dazu: Eine lange private Nutzung des Internets gehe einher mit einem schlechteren Gesundheitszustand. 21 Prozent der Vielsurfer, die also fünf Stunden oder länger pro Tag im Netz sind, hätten einen weniger guten oder sogar schlechten allgemeinen Gesundheitszustand.
«Dieser Anteil halbiert sich mit sinkender Nutzungsdauer auf bis zu neun Prozent», heißt es. Unter den Vielsurfern sind im Vergleich zu den anderen Nutzergruppen deutlich mehr, die unter Nervosität (38 Prozent) und depressiven Symptomen wie Stimmungsschwankungen (40 Prozent) leiden.
Die Pandemie spielt in der Umfrage auch eine Rolle: Die Corona-Krise habe die Häufigkeit der Nutzung digitaler Medien bei vielen Menschen nochmal verstärkt. 30 Prozent der Befragten gaben an, digitale Kommunikationskanäle – wie zum Beispiel Messenger oder Video-Konferenzen – privat häufiger zu nutzen als vor Ausbruch der Pandemie.
Die Bundesdrogenbeauftragte Daniela Ludwig (CSU) warnt vor den Risiken übermäßiger Internetnutzung. Während des Lockdowns leisteten digitale Medien zwar wertvolle Unterstützung – ob Videokonferenz mit den Kollegen, Homeschooling per Tablet oder digitale Meetings mit Freunden und Verwandten. Das sei «alles richtig, alles wichtig», sagte Ludwig auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. «Wo es aber brenzlig wird, ist, wenn es keine klare Trennlinie zwischen sinnvoller und sinnloser Mediennutzung mehr gibt, quasi ein digitaler Dauerzustand eintritt.»
Gerade bei Jugendlichen kann das zum Problem werden. Ludwig verweist auf eine Studie von der Krankenkasse DAK und Forschern des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Demnach haben Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 17 Jahren schon im ersten Lockdown 2020 bis zu 75 Prozent mehr Zeit mit Gamen, Surfen und Chatten verbracht. «Das ist bedenklich, weil viele von ihnen Probleme bekommen, von Konsole und Co. wieder wegzukommen, oder sogar schleichend in die Abhängigkeit geraten», warnt Ludwig. «Wir sprechen von mittlerweile 700 000 betroffenen Kindern und Jugendlichen.»
Das Dauersurfen und Dauerdaddeln kann mitunter krankhafte Züge annehmen und regelrecht süchtig machen. Video- und Onlinespielsucht beispielsweise sind von der Weltgesundheitsorganisation als Krankheiten anerkannt. Die Initiatoren der DAK-Studie zeigten sich im vergangenen Jahr daher alarmiert und werteten die Zahlen als erste Warnsignale dafür, dass sich die Computerspielsucht durch die Corona-Pandemie ausweiten könnte.
Ein Problem, das sich durch den zweiten Lockdown und die jetzige Verlängerung noch verschärfen dürfte. «Bereits jetzt können wir davon ausgehen, dass die digitalen Medien noch mehr genutzt wurden als im Jahr 2020», schätzt Ludwig. Sie appelliert daher an die Eltern: «Gerade jetzt im Lockdown und auch in den kommenden Monaten ist es immens wichtig, nicht nur vor den Bildschirmen zu kleben.»
Natürlich seien die Alternativen aktuell eingeschränkt. «Aber lesen, basteln, in den Park gehen oder gemeinsam kochen lässt sich immer umsetzen und macht ganz viel Spaß.»
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