Der Wettbewerb auf dem deutschen Mobilfunkmarkt könnte sich bald verschärfen: Mit einer sogenannten Diensteanbieterverpflichtung sollen die großen deutschen Handynetz-Betreiber dazu gezwungen werden, kleinere Konkurrenten auf ihr Netz zu lassen.
Für Firmen wie Freenet und EWE Tel, die beim Verkauf von Handyverträgen auf die Netze von Telekom, Vodafone und O2 angewiesen sind, wäre das Rückenwind – ihre Position würde sich erheblich verbessern. Die Netzbetreiber lehnen die Pflicht zur Vermietung hingegen ab. Nun melden sich Politiker zu Wort und signalisieren, dass sie für eine entsprechende Vorschrift wären.
Hoffnung auf niedrige Preise und besseren Service
«Fairer Zugang von Diensteanbietern stärkt den Wettbewerb», sagt der Grünen-Bundestagsabgeordnete Maik Außendorf. Das komme den Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher zugute, da der Wettbewerb für niedrige Preise und bessere Servicequalität sorge. Auch die Linke Anke Domscheit-Berg ist dafür. Das belebe den Wettbewerb und ermögliche den Verbrauchern günstige Zugänge zu zeitgemäßen Mobilfunktarifen, sagt die Bundestagsabgeordnete. Der Verbraucherzentrale Bundesverband ist ebenfalls klar dafür.
Politiker anderer Couleur sind zurückhaltender, lassen ihre grundsätzlich positive Haltung aber durchblicken. So sagt der CSU-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Durz, dass ein funktionierender Wettbewerb auch mit Diensteanbietern ein klares Ziel sei. Der FDP-Abgeordnete Reinhard Houben hält den Wettbewerb am Mobilfunkmarkt für eingeschränkt. «Vor diesem Hintergrund sollte sehr genau geprüft werden, ob es nicht sinnvoll wäre, eine Diensteanbieterverpflichtung in die nächsten Frequenzauflagen zu integrieren.»
Eher vorsichtig äußert sich der SPD-Abgeordnete Johannes Schätzl. «Eine Diensteanbieterverpflichtung ist natürlich ein sehr starker Eingriff in den Markt, den man gut rechtfertigen müsste», sagt er und weist darauf hin, dass die Netzbetreiber ihre Investitionen nun mal refinanzieren müssten.
Telekom, Vodafone und Telefónica dominieren
Der deutsche Handymarkt ist dominiert von den drei Netzbetreibern Telekom, Vodafone und Telefónica Deutschland. Die haben einen Marktanteil von jeweils mehr als einem Viertel, wie aus einer Untersuchung des Branchenverbandes VATM zum Jahr 2022 hervorgeht. Nur 17 Prozent des Mobilfunk-Serviceumsatzes geht an die Konkurrenz. Unter den Kleinen ist Freenet mit acht Prozentpunkten noch am größten. Schlechte Geschäfte macht Freenet nicht, die Hamburger sind profitabel und wollen ihre Gewinne in den nächsten Jahren steigern.
Vertretern von Netzbetreibern stehen bei dem Thema Diensteanbieterverpflichtung die Haare zu Berge. Sie argumentieren, dass der Wettbewerb im Mobilfunkmarkt sehr wohl funktioniere, und sie fürchten, dass ihre Investitionen in neue Netze durch die Vermietungspflicht teilweise entwertet würden. «Die Forderung nach einem 5G-Abgabezwang zu festgeschriebenen Ramsch-Preisen würde den Netzausbau in Deutschland ausbremsen», sagt ein Vodafone-Sprecher. Es käme zu einer «Umverteilung der Gelder weg von jenen, die sie dringend für den Aufbau neuer Funkmasten und zum Schließen von Funklöchern benötigen, hin zu denen, die ihre eigenen Gewinne ohne großen Aufwand weiter maximieren wollen».
Telekom-Sprecher: «Das ist kein faires Modell»
Ähnlich argumentiert ein Telekom-Sprecher. «Der eine baut und der andere hat den Spaß? Das ist kein faires Modell», sagt er. Deutschland habe «einen ausgeprägten Mobilfunkmarkt an Drittanbietern, auch auf dem Netz der Telekom». Eine noch stärkere Regulierung als bisher würde «die notwendigen Investitionen in den Netzausbau weiter erschweren». Das wäre auch für Kundinnen und Kunden misslich, schließlich sei der Netzausbau für sie doch sehr wichtig. Von der Bundesnetzagentur hieß es, ob und welche Diensteanbieterregelung angemessen sein werde, werde auf Grundlage einer Beurteilung der Wettbewerbsverhältnisse zu entscheiden sein.
Früher gab es besagte Diensteanbieterverpflichtung, inzwischen ist sie ausgelaufen. In der Frequenzauktion 2019 wurde ein weicheres «Verhandlungsgebot» festgeschrieben. Das besagt, dass die großen Drei mit den kleinen Mobilfirmen ohne eigenes Netz verhandeln müssen – eine Pflicht zum Vertragsabschluss gibt es aber nicht. Nun ist gewissermaßen die Gretchenfrage, ob es im Rahmen des damaligen Verhandlungsgebots zu Verträgen über 5G-Kapazitäten gekommen ist – oder ob es ein stumpfes Schwert war, das den kleineren Firmen gar nicht geholfen hat und sie bei 5G außen vor blieben.
Mehr Klarheit und Transparenz gefordert
Bisher setzen die Mobilfunkunternehmen, die kein eigenes Netz haben, auf den langsameren Funkstandard 4G. Da 5G inzwischen aber immer selbstverständlicher wird, ist der Zugriff auf diesen Funkstandard enorm wichtig. Bekommen die virtuellen Netzbetreiber kein 5G, dürften sie am Markt bald unter Druck geraten.
Aber haben die kleineren Handytarif-Anbieter tatsächlich kein 5G? Der Sozialdemokrat Schätzl fordert diesbezüglich mehr Klarheit und Transparenz. Die Bundesnetzagentur sollte alle offenen Fragen klären und hierzu den Stand der Dinge objektiv darstellen, sagt er.
Tatsächlich gab es nach 2019 Vertragsabschlüsse über 5G, viele waren es aber nicht. Ein Freenet-Sprecher berichtet davon, dass man drei 5G-Tarife habe. Diese seien aber «fast nicht nachgefragt», auch weil sie relativ langsam seien – die Maximalgeschwindigkeit wurde abgesenkt, sie ist also nicht so hoch wie bei einem 5G-Vertrag von Vodafone. Außerdem seien diese Freenet-5G-Tarife «premium», so der Firmensprecher – gemeint ist, dass sie recht teuer sind.
Vorwurf der Diskriminierung
Wie hitzig die Debatte ist, macht eine Wortmeldung von Freenet-Vorstand Rickmann von Platen deutlich. Der wirft den Netzbetreibern ein «diskriminierendes Verhalten» vor, das die Netzagentur endlich beenden solle. Den Vorwurf der Diskriminierung weisen die großen Drei von sich. Telefónica betont zum Beispiel, das Verhandlungsgebot «partnerschaftlich und konstruktiv» auszuüben.
Eine Entscheidung über die Diensteanbieterverpflichtung ist noch nicht in Sicht, die Netzagentur wird sie im Rahmen der Frequenzvergabe im Jahr 2024 fällen. Gut möglich, dass das Streitthema danach vor Gericht landet. Der Beirat der Behörde, in dem Bundespolitiker und Ländervertreter sitzen, tagt an diesem Montag in Berlin. Das umstrittene Thema dürfte dabei zur Sprache kommen.
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