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Ist das Funkloch weg?

«Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser», sagt Klaus Müller, Präsident der Bundesnetzagentur. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Henning Kaiser/dpa)
Schon wieder kein Netz! So ein Ärgernis war früher vielerorts eine Alltagserfahrung. Inzwischen haben die Netzbetreiber immer mehr Funklöcher geschlossen. Eine Bundesbehörde will die Lage nun vor Ort überprüfen.

Das frühere Funkloch, in dem der Chef der Bundesnetzagentur unterwegs ist, liegt in einem Landidyll. An den Straßen werden Reitturniere und Schützenfeste beworben, Fachwerkhäuser säumen den Weg. Eine Katze geht in aller Ruhe über die Straße.

Doch die entspannte Atmosphäre hatte einen Preis: Bis vor kurzem war in Mehren im Westerwald (Rheinland-Pfalz) noch tote Hose in Sachen Handynetz – auf einer Fläche von drei mal zwei Kilometern gab es keinen 4G-Empfang.

Inzwischen haben die drei Netzbetreiber gemeldet, dass das Funkloch Geschichte ist. Um das zu überprüfen, hat die Bundesnetzagentur einen Messwagen geschickt, und deren Präsident Klaus Müller ist auf eine Stippvisite vorbeigekommen.

«Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser», sagt Müller und bezieht sich dabei auf die Angaben der Deutschen Telekom, von Vodafone und Telefónica Deutschland (O2). Die hatten die Pflicht, bis Anfang dieses Jahres 500 4G-Funklöcher zu schließen. Das Dörfchen Mehren ist eins davon.

Mitten im Wald Funkmasten errichtet

Nur ein Teil der 500 Funklöcher wurde geschlossen, in anderen berufen sich die Firmen auf rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten – dass beispielsweise kein Grundstückseigentümer zur Vermietung einer Fläche bereit war. In Mehren hingegen hat es geklappt: Das Funkloch ist passé, angeblich. Mitten im Wald wurden Funkmasten errichtet. Nun ist die Frage, ob sie auch gut senden.

Der Messingenieur Markus Busch ist vier Tage lang mit einem Kollegen in einem Transporter unterwegs, um die Qualität des Netzes zu analysieren. Es geht nicht nur über Straßen, sondern auch über Feld- und Waldwege. «Überall da, wo wir fahren können, fahren wir.» Auf dem Dach des Wagens sind mehrere Antennen. Der Innenraum ist voll mit Technik, ob Scanner, Laptops oder spezielle Messinstrumente.

Langsam fährt der Transporter durch die hügelige Landschaft – und zwar jede Strecke mehrfach, damit die Messungen eindeutig sind. Dabei wird ein «Pilotsignal» empfangen, das unabhängig ist von der aktuellen Nutzung anderer Menschen. Es gibt also gewissermaßen keine Ausrede, warum die Downloadrate gerade im Keller ist.

Auf Monitoren ist zu sehen, wie der Empfangspegel jedes Anbieters mal steigt, mal sinkt. Alles wird dokumentiert und später ausgewertet. Von Mehren geht es nach Ziegenhain und Hahn – eine Route, die im Internet auf Wanderkarten zu finden ist. «Liebhaber von Fachwerkbauten und Natursteinhäusern kommen auf ihre Kosten», heißt es auf der Internetseite ich-geh-wandern.de. In Sachen Gastronomie hapere es allerdings, man müsse Mitgebrachtes verzehren.

Auch Wandersleute sollen zumindest mancherorts gutes Netz bekommen in Deutschland – so besagt es eine Auflage, zu der sich die Telekommunikationsanbieter bei der Frequenzauktion im Jahr 2019 verpflichtet haben. Eine Downloadrate von mindestens 100 Megabit pro Sekunde soll auch in 500 bisherigen 4G-Funklöchern («Weißen Flecken») möglich sein.

Subjektives Nutzererlebnis vs. Sendeleistung

Allerdings ist das quasi ein Idealwert – sind mehrere Menschen in einer Funkzelle unterwegs, teilen sie sich die Netzkapazität. Das ist bis zu einem gewissen Grad unproblematisch. «Viele Menschen sind auch heute noch mit zwei Megabit pro Sekunde zufrieden», sagt Fachmann Busch.

Bei Veranstaltungen, wo viele Menschen hinkommen, kann es aber doch noch hapern, selbst wenn die Ausbauauflage erfüllt wurde. «Zwischen dem subjektiven Nutzererlebnis und der Sendeleistung einer Funkstation ist immer eine Diskrepanz», sagt Behördenchef Müller. Die Erwartungshaltung in der Bevölkerung steige – «Filme streamen, Handygames spielen und große Dateien runter- oder hochladen, das wollen die Menschen auch unterwegs machen – egal wo.»

Das bedeutet aber auch, dass die Telekommunikationsanbieter viel Geld in Sendemasten stecken müssen, die relativ wenig genutzt werden. Ist es sinnvoll, bis an die letzte Milchkanne gutes Netz zu haben? Im Internetzeitalter ja, sagt Müller. «Das ist die Erwartungshaltung der Menschen und der Politik und das streben wir an.»

Noch 2,6 Prozent der Fläche weiße Flecken

Laut Zahlen der Bundesnetzagentur waren im April 2023 nur noch 2,6 Prozent der Fläche weiße Flecken, ein Jahr zuvor hatte der Wert noch bei 3,7 Prozent gelegen – dort hatte also keiner der drei Netzbetreiber gesendet. Sogenannte graue Flecken – wo also nur einer oder zwei der Netzbetreiber gefunkt haben – waren im April 2023 auf 16,7 Prozent der Landesfläche, ein Jahr zuvor waren es 24,7 Prozent. 

Die Zahlen zeigen, dass es besser wird. Das betonen auch die Telekommunikationsfirmen, die auf hohe Investitionen verweisen. Seit der Auktion 2019 habe man rund 2900 Funkstation-Neubauten und mehr als 3800 Upgrades auf LTE-Technik angestoßen, heißt es von Vodafone.

Während es bei den Überprüfungen des Messwagens im Westerwald um Ausbaupflichten von 2019 geht, richtet Behördenchef Müller den Blick nach vorne. Im kommenden Jahr will seine Behörde Auflagen für die nächste Frequenzvergabe festlegen, ein erster Vorschlag hierzu soll in den kommenden Wochen publiziert werden.

Behörde macht nur Stichproben-Messungen

Wie fallen die Ergebnisse der Messwagen-Fahrten im Westerwald aus? Ingenieur Busch lächelt. «Es sieht gut aus: Der weiße Fleck ist nicht mehr weiß und nicht mehr grau – er ist gar kein Fleck mehr.» Die Angaben der Netzbetreiber seien richtig gewesen. Ob das in allen angeblich geschlossenen Funklöchern so ist, bleibt allerdings offen – die Behörde macht nur Stichproben-Messungen.

Allerdings sind die Verbindungen auf dem Land noch längst nicht überall gut, wie ein Halt in dem Dörfchen Fiersbach zeigt, das unweit von Mehren liegt – auf diese Gegend bezog sich die Weiße-Flecken-Ausbaupflicht nicht. Nachfrage bei dem Fiersbacher Taxiunternehmen Uwe Bischoff: Wie ist Ihr Handynetz? Prokurist Jonas Otto schüttelt den Kopf. «Welches Netz?», fragt er und zeigt sein Handy: null Balken. Manchmal gehe er zum Telefonieren auf einen Hügel. «Da ist es besser.»

Von Wolf von Dewitz, dpa