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Bundesverwaltungsgericht beerdigt Vorratsdatenspeicherung

Bei der Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten fehle eine strikte Begrenzung auf den Zweck des Schutzes der nationalen Sicherheit, so das Bundesverwaltungsgericht. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Oliver Berg/dpa)
Das Bundesverwaltungsgericht hat einen Schlussstrich unter die jahrelange Auseinandersetzung um die Vorratsdatenspeicherung gezogen. Die bisherige deutsche Regelung sei rechtswidrig, so die Richter.

Das Bundesverwaltungsgericht hat die anlasslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung als vollständig europarechtswidrig eingestuft. Die Regelung dürfe nicht mehr angewendet werden, teilte das Gericht in Leipzig am Donnerstag mit. Der Entscheidung lagen Klagen von zwei Telekommunikationsunternehmen gegen zugrunde (Az.: BVerwG 6 C 6.22 und BVerwG 6 C 7.22).

Wegen der rechtlichen Unsicherheiten war die Regelung bereits seit 2017 nicht mehr genutzt worden. Das Bundesverwaltungsgericht hatte das Klageverfahren zwischenzeitlich ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof Fragen zur Vereinbarkeit der Vorratsdatenspeicherung mit EU-Recht vorgelegt.

EuGH: Nicht ohne Anlass speichern

Der EuGH entschied 2022, dass die Kommunikationsdaten aller Bürgerinnen und Bürger nicht ohne Anlass gespeichert werden dürfen. Eine gezielte und zeitlich begrenzte Speicherung der Daten sei bei einer ernsten Bedrohung für die nationale Sicherheit möglich. Zur Bekämpfung schwerer Kriminalität kann laut EuGH auch eine Vorratsspeicherung der IP-Adressen möglich sein. Diesen Vorgaben folgte das Bundesverwaltungsgericht in seiner am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung.

Demnach genüge die Regelung im Telekommunikationsgesetz zur Speicherung von Rufnummern, IP-Adressen oder der Dauer von Verbindungen «schon deshalb nicht den unionsrechtlichen Anforderungen, weil keine objektiven Kriterien bestimmt werden, die einen Zusammenhang zwischen den zu speichernden Daten und dem verfolgten Ziel herstellen», so das Gericht.

Bei der Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten fehle eine strikte Begrenzung auf den Zweck des Schutzes der nationalen Sicherheit. IP-Adressen dürften zwar zur Bekämpfung schwerer Kriminalität und zur Verhütung schwerer Bedrohungen der öffentlichen Sicherheit gespeichert werden, allerdings sei das im Telekommunikationsgesetz nicht so eindeutig bestimmt.

Bundesjustizminister Marco Buschmann erklärte, mit der Entscheidung des Gerichts sei nun endgültig klar, dass die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland «in vollem Umfang rechtswidrig und damit unanwendbar» ist. «Die jetzigen Entscheidungen sind für uns ein klarer Auftrag, die Vorratsdatenspeicherung nun zügig aus dem Gesetz zu streichen – und die digitalen Bürgerrechte in unserem Land weiter zu stärken», so der FDP-Politiker. Er verwies auf den Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung, wonach relevante Daten nur noch «rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss» gespeichert werden sollen.

Kritik aus der Politik

Dagegen betonte der hessische Justizminister Roman Poseck (CDU), dass sowohl EuGH als auch Bundesverwaltungsgericht «ausdrücklich» Spielräume für die Speicherung von IP-Adressen zur Bekämpfung schwerster Kriminalität eröffnet hätten. «Für diese Bereiche ist eine bundesgesetzliche Regelung weiterhin möglich und dringend erforderlich, damit Fälle des Terrorismus und des Kindesmissbrauchs erfolgreich bekämpft werden können. Datenschutz darf in diesen Fällen nicht zum Täterschutz führen», teilte Poseck mit.

Auch Bayerns Justizminister Georg Eisenreich verwies auf die begrenzten Spielräume für die Speicherung von IP-Adressen. Diese müssten etwa zum Schutz von Kindern bei Hinweisen auf Missbrauch zeitnah genutzt werden, so der CSU-Politiker. «Auch bei der Verfolgung von Terroristen, Waffenschiebern und Drogenhändlern sind IP-Adressen in manchen Fällen die wichtigste oder sogar die einzige Spur.»

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) wurde deutlich schärfer im Ton und warf dem Bundesjustizminister «Arbeitsverweigerung zu Lasten der Opfer von Kindesmissbrauch» vor. Der EuGH habe ausdrücklich die Sicherung von IP-Adressen zum Kampf gegen Kinderpornografie und sexuellen Missbrauch erlaubt. Dennoch sei die Bundesregierung ein Jahr lang untätig geblieben. Ein «völlig übertriebener Datenschutz» habe für Buschmann offenbar mehr Priorität als Kinderschutz, sagte der CSU-Politiker.

Die baden-württembergische Justizministerin Marion Gentges (CDU) hatte das Urteil erwartet. «Für mich ist die zentrale Botschaft dieser Entscheidungen aber nicht, dass wir auf Ermittlungen mit Verkehrsdaten fortan komplett verzichten und damit weitgehend die Waffen strecken im Kampf gegen Internetkriminalität.» Es gehe jetzt darum, dass ein «besseres und unionsrechtskonformes Gesetz» geschaffen werden müsse.

Die rechtskonformen Gestaltungsmöglichkeiten sollten genutzt werden. «Wenn unsere Welt digitaler wird, wenn die Straftäter – teils hoch professionell – digital agieren, dann muss der logische Schluss sein, dass auch die Ermittlungsbehörden so digital wie möglich ermitteln können», sagte Gentges.