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Conti und Amazon entwickeln IT-Plattform fürs Auto

Continental und Amazon entwickeln gemeinsam eine IT-Plattform für Autos. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Julian Stratenschulte/dpa)
Daten sind der zentrale Rohstoff, auch in der Autoindustrie. Um Software-Updates zu standardisieren und Techniken für das autonome Fahren zu verbessern, tun sich nun zwei Schwergewichte zusammen.

Mehr Tempo beim autonomen Fahren, leichtere Updates, bessere Daten für Sicherheits- und Sprachsysteme: Continental und die Cloud-Sparte von Amazon entwickeln gemeinsam eine Software- und Hardware-Plattform für Autos.

«Wir erproben das jetzt in der Serienentwicklung eines Herstellers», sagte Conti-Technikchef Dirk Abendroth der Deutschen Presse-Agentur. «Eine erste Pilotanwendung ist dann ab August geplant, ab dem Jahresende soll das Konzept für weitere Kunden geöffnet werden.» Vereinbart sei eine langfristige Zusammenarbeit mit Amazon.

Die einheitlichen Entwicklungsstandards betreffen zunächst vor allem Prozesse zwischen den Unternehmen. Mittel- bis langfristig dürften sich die Neuerungen allerdings auch in Millionen Autos sowie in den erweiterten Dienstleistungen rund ums Autogeschäft bemerkbar machen.

Amazon Web Services (AWS) war zuletzt der Hauptgewinnbringer des Konzerns aus Seattle. Die Firma, deren Chef Andy Jassy demnächst Amazon-Gründer Jeff Bezos an der Spitze ablöst, bietet vor allem Rechen- und Speicherkapazitäten an, die im Netz dezentral zur Verfügung gestellt werden (Cloud Computing). Außerdem befasst sich AWS mit maschinellem Lernen und Künstlicher Intelligenz (KI).

Conti erhofft sich Fortschritte bei der Verarbeitung der enormen Datenmengen, die beim autonomen Fahren umgesetzt werden müssen. «So vernetzen wir in einem ersten Schritt Kamera- und Radardaten, die für Simulationen von hochautomatisierten Fahrten genutzt werden», erklärte Abendroth. Es sei die erste Plattform dieser Art im Markt. Mit ihr sollen sich auch neue Algorithmen rascher entwickeln lassen. Anwendungsmöglichkeiten für höheren Datenfluss im Innenraum des Autos seien die Erkennung von Müdigkeit oder präzisere Sprachsteuerung.

Das zentrale Instrument heißt «Continental Automotive Edge Plattform» (CAEdge). Es enthält Module für die Entwicklung und das Aufspielen neuer Programme bis zu deren Wartung. «So wird es in Zukunft bequem möglich sein, über die gesamte Lebensdauer des Fahrzeugs gewünschte Funktionen durch Software-Updates zu beziehen», kündigte Conti an. Gleichzeitig sollen das Tempo und die Datensicherheit erhöht werden.

Die Vernetzung laufe in zwei Richtungen, so Abendroth: «Einerseits geht es um eine stärkere Anbindung der Fahrzeug- an die Internet-Welt und die Möglichkeit, mehr Daten in die Cloud zu laden – andererseits darum, Daten aus der Cloud in neue Zusammenhänge zu bringen, die so noch nicht möglich waren.» Autobauer konzentrierten sich zunehmend auf nur noch wenige Zentralrechner im Wagen, die jeweils immer komplexer würden. «Da gilt es, Technik wie Kosten zu beherrschen.»

Die Hannoveraner stellen sich – wie andere Unternehmen der Branche – in Richtung Software, Sensorik und Fahrzeug-Elektronik um. Dazu werden Milliarden investiert und auch viele neue Stellen geschaffen, während in klassischen Sektoren erheblich Jobs abgebaut werden.

Über 1000 der rund 20.000 eigenen IT-Fachleute will Conti für den Einsatz bei CAEdge schulen. Bis zum kommenden Jahr sollen etwa 1900 Expertinnen und Experten mit dem Schwerpunkt KI beschäftigt werden – eine Steigerung um gut 1000 verglichen mit dem aktuellen Stand.

Gemeinsames Ziel ist laut AWS-Entwicklungschef Bill Vass «eine Umgebung, die die Entwicklung hochautomatisierter sowie autonomer Fahrsysteme beschleunigen wird». Ähnliche Forschungen laufen auch in anderen Konzernen. So steckt etwa VW über die mit Ford betriebene Beteiligung Argo AI viel Geld in Daten-Infrastrukturen. Das drahtlose Aufspielen neuer Softwareversionen bei der ID-Reihe wird vorbereitet, die erste große Aktualisierung ist für den Sommer geplant. Updates «over the air» in regelmäßigen Rhythmen sollen Standard werden.

Continental liefert bisher unter anderem einen Zentralrechner für die Steuerung von ID-Modellen zu. VW baut seinerseits ein Netzwerk auf, in dem Daten zwischen den Smartphones der Kunden, den Anwendungen im Auto, Herstellern, Händlern und Dienstleistern ausgetauscht werden.

Auch Amazon orientiert sich derzeit stärker in Richtung Mobilität. 2020 kaufte der Konzern das Start-up Zoox, das Software für das autonome Fahren entwickelt. AWS-Konkurrent Microsoft will ebenfalls im Geschäft mit vernetzten Autos mitmischen und stieg dafür unter anderem bei der Robotaxi-Firma Cruise von General Motors ein.

Von Jan Petermann, dpa