Blockchain-Technologie, Hash-Wert und kryptografische Zahlenkette: Was sich für Laien nach Fachchinesisch für IT-Freaks anhört, könnte bald deutschlandweit digitale Schulzeugnisse möglich machen.
Ein Testbetrieb in Nordrhein-Westfalen, Berlin und Rheinland-Pfalz startet in diesem Sommer. Govdigital – ein Zusammenschluss öffentlicher IT-Dienstleister – und die Bundesdruckerei entwickeln mit Sachsen-Anhalt derzeit ein neues System zu Erstellung digitaler Zeugnisse. NRW will sie ersten Abiturienten sogar schon Ende Juni testweise ausstellen, heißt es im dortigen Schulministerium.
Alle Bundesländer seien einbezogen, sagt Eric Stange, der Projektverantwortliche der Bundesdruckerei. «Bisher haben wir nur positives Feedback, das Interesse ist groß.» Die digitale Variante sei «einfach, fälschungssicher und datenschutzkonform». Papierzeugnisse erweisen sich vor allem für Abschlussjahrgänge als immer unpraktischer, weil Bewerbungen um Studien- oder Ausbildungsplätze inzwischen weitgehend online laufen, wie der Experte betont. Beim Einscannen leide die Qualität. Die Gefahr einer Manipulation sei bei Papierzeugnissen groß. Auf Youtube kursieren sogar Tutorials mit Anleitungen zum Noten-Fälschen.
Nach dem Onlinezugangsgesetz (OZG) des Bundes sollen dem Bürger alle staatlichen Leistungen bis Ende 2022 digital bereitgestellt werden. Darunter fallen im Bereich Bildung – Sachsen-Anhalt war hier als federführender OZG-Akteur benannt worden – auch digitale Schulzeugnisse. Dass die Sache technisch funktioniere, habe eine Minimalversion schon bewiesen, schildert Stange. Um das System für ganz Deutschland auszurollen, werde die Anwendung jetzt in drei «besonders pro-aktiven» Ländern getestet.
Bis Ende 2022 könnten auch alle anderen Bundesländer zunächst probeweise aufspringen, ab 2023 soll dann der Echtbetrieb laufen. Ein Zwang bestehe aber nicht. Stirbt das Papierzeugnis dann bald aus? Experte Stange und das NRW-Schulministerium sehen das nicht. Schüler könnten es weiter feierlich in der Aula entgegennehmen und schwarz auf weiß präsentieren.
Was wegfallen würde, wäre unnötige Rennerei, man könne Zeit, Aufwand und Geld sparen, sagt die Bundesdruckerei mit Blick vor allem auf die Abschlusszeugnisse. Beispiel Abi: Schüler müssen für Bewerbungen Kopien beim Amt beglaubigen lassen, per Post an die Hochschulen oder Unternehmen schicken, wo sie dann gecheckt werden. Die Zukunft laut Projektpartnern: eine Zeugnis-PDF-Datei, in die eine weitere maschinell lesbare XML-Datei eingebettet ist. Das digitale Zeugnis, gesichert und verschlüsselt, könnten Schüler – bei ihnen liegt die Datenhoheit – ortsunabhängig auf einer Onlineplattform herunterladen und etwa per E-Mail versenden. Der Adressat prüfe in Sekundenbruchteilen, ob das Dokument echt ist.
Bewirbt sich also ein Schüler oder eine Schülerin für ein Physikstudium, klärt die Uni blitzschnell die Echtheit ihres Zeugnisses ab. Zugleich liest das System im Campus die relevanten Abinoten für Mathe und Physik automatisiert aus. «Die Noten müssen dann nicht mehr manuell übertragen werden», erläutert Stange. Im ersten Schritt gehe es um Abschlusszeugnisse. Nach und nach sollten auch die jüngeren Jahrgänge drankommen, meint er. Wechselt ein Drittklässler wegen Familienumzugs in ein anderes Bundesland, würden für den Notenübertrag ein paar Klicks ausreichen.
NRW geht aktuell voran: Mehr als hundert Schulen aus dem Köln-Aachener Raum sei die Teilnahme an einem Test angeboten, berichtet das Ministerium. Sie erhalten einen Software-Prototypen, der sich in das bisher genutzte Verwaltungssystem integriert. Noch vor Ferienbeginn am 5. Juli könne man erste digitale Abi-Zeugnisse ausstellen, mit Echtheitszertifikat und gesichert über eine «kryptografische Zahlenkette». Einige Hochschulen ermöglichten damit schon in diesen Sommer eine Einschreibung. «Erfahrungen aus dem Feldtest sollen auch in die länderübergreifende Arbeitsgruppe einfließen.» Digitale Zeugnisse könnten Abläufe verbessern, sagt Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP).
Müssen jetzt alle Lehrkräfte in einen IT-Crashkurs? Es gebe keinen Schulungsaufwand, beteuern govdigital und Bundesdruckerei. Das Handling sei einfach: Die Schulen geben die Zeugnisdaten in ihr vertrautes System ein, übermitteln es per neuer Schnittstelle an die Bundesdruckerei, wo das digitale Zeugnis erstellt, abgesichert und an die Schule zurückgesendet wird – alles datenschutzkonform.
Die Schüler bekommen neben ihrem Papierzeugnis eine digitale Ausgabe im PDF-Format. Eine Prüfsumme – im Fachjargon «Hash-Wert» – ist als Zahlenkette und quasi digitaler Fingerabdruck in einer Blockchain unveränderbar gespeichert und gesichert. Die Bundesdruckerei versichert, bei ihr würden außer der Prüfsumme keine weiteren Daten gespeichert. «Das Zeugnis liegt nach dem Download ausschließlich bei den Schülern.»
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