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Ein Jahr Corona-Warn-App: Vertrauen der Bevölkerung steigt

Ein Jahr Corona-Warn-App: Vertrauen der Bevölkerung steigt
Insgesamt gab es bisher etwa 28,3 Millionen Downloads der Corona-Warn-App. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Oliver Berg/dpa)
«Zahnloser Tiger», «nutzlos», «Totalausfall»: Die Vorbehalte bei manchen Bürgern und Politikern gegen die Corona-Warn-App sind auch nach einem Jahr nicht verschwunden. Dabei wirkt die App.

Die Einführung der offiziellen Corona-Warn-App sollte wohl an die erste Mondlandung erinnern: «Die App herunterzuladen und zu nutzen, das ist ein kleiner Schritt für jeden von uns, aber ein großer Schritt für die Pandemiebekämpfung», sagte Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) vor einem Jahr.

Er lehnte sich dabei an die legendären Worte von Neil Armstrong vom großen Sprung für die Menschheit an, bevor der Astronaut als erster Mensch den Mond betrat.

Die offizielle Corona-Warn-App des Bundes erfasst mit Hilfe von Bluetooth-Signalen, welche Smartphones einander nahe gekommen sind, und benachrichtigt die Anwender dann über riskante Begegnungen. Dabei wurde ein Datenschutzkonzept umgesetzt, das als vorbildlich gilt: «Die Corona-Warn-App verdient eine uneingeschränkte Empfehlung, weil sie nicht schaden kann», sagt der Softwareentwickler Henning Tilmann. «Sie arbeitet im Hintergrund, verbraucht kaum Akkuleistung. Sie verwendet keine persönlichen Daten», so der Co-Vorsitzende des Digitalvereins «D64 – Zentrum für digitalen Fortschritt».

Die App wurde am 16. Juni 2020 in den Stores von Apple und Google veröffentlicht. Seit dem vergangenen Dezember ist auch eine inoffizielle Version («Corona Contact Tracing Germany (CCTG)») verfügbar, die auch auf Android-Smartphones läuft, die nicht über Google-Dienste verfügen.

In den ersten Monaten entwickelte sich die Verbreitung sehr dynamisch. Im September 2020 hatte das Robert Koch-Institut (RKI) über 18 Millionen Downloads in den Stores von Google und Apple registriert. Danach flachte die Kurve allerdings deutlich ab. Zuletzt verzeichnete das RKI 28,3 Millionen Downloads.

Im internationalen Vergleich steht die App damit gut dar. Trotzdem wird ihre Wirksamkeit immer wieder in Frage gestellt. So stellte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) die Corona-Warn-App in einem Zeitungsinterview als Flop da. «Die App ist leider bisher ein zahnloser Tiger. Sie hat kaum eine warnende Wirkung», sagte der Politiker im vergangenen Oktober den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Söder setzte sich damals immerhin für ein «digitales Update» ein, «um alle Möglichkeiten auszuschöpfen, damit die Corona-App wirksam wird». Die AfD lehnt als einzige Partei im Deutschen Bundestag dagegen die App ganz grundsätzlich ab, weil sie ein «Totalausfall», «Überwachungs-App» und «Steuerverschwendung» sei.

Konkrete Zahlen zur Wirksamkeit der App, die auch in der Anwendung selbst präsentiert werden, widersprechen der These vom «Totalausfall». Danach haben inzwischen knapp eine halbe Million Menschen über die App andere Personen vor einer gefährlichen Risiko-Begegnung gewarnt. Dadurch wurden nach Angaben aus Regierungskreisen in über 200.000 Fällen Infektionsketten unterbrochen. Die Zahl der relevanten Warnungen könnte aber noch viel höher sein, wenn alle Anwenderinnen und Anwender der App, die positiv getestet wurden, diese schlechte Nachricht auch in die App eintragen würden. Anfangs trauten sich aber nicht einmal 40 Prozent der Betroffenen, diese Alarmkette auszulösen.

Ein Jahr nach der Vorstellung der offiziellen Corona-Warn-App können sich allerdings immer mehr Menschen in Deutschland vorstellen, der Anwendung auch ein positives Testergebnis anzuvertrauen. Das ergab eine repräsentative Umfrage des Digitalverbandes Bitkom, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

72 Prozent derjenigen, die die App installiert haben oder dies planen, würden ein positives Ergebnis in der App teilen. Im Januar 2021 waren es nur 62 Prozent. 33 Prozent hatten zum Jahresbeginn eingeräumt, andere App-Anwender im Falle einer eigenen Infektion trotz der durch die App gesicherten Anonymität nicht warnen zu wollen. Dieser Anteil sank nun auf nur noch 22 Prozent.

Eine Mehrheit derjenigen, die ein positives Ergebnis nicht teilen würden, sorgt sich, dass die eigenen Daten nicht anonym sind (79 Prozent). 35 Prozent aus dieser Gruppe wollen grundsätzlich keine Gesundheitsdaten teilen. Fünf Prozent sehen sich technisch außerstande.

Bitkom-Präsident Achim Berg sagte, die App habe sehr wertvolle Dienste geleistet: «Sie funktioniert, sie ist kostenlos und sie schützt die persönlichen Daten optimal.» Die Anwendung habe Menschenleben gerettet. Berg betonte, entscheidend sei, dass wirklich alle Nutzerinnen und Nutzer ihre Testergebnisse über die App teilen. «Wir schlagen daher bei einem positiven Testergebnis eine automatische Warnmeldung mit Widerspruchsmöglichkeit vor. Das würde die Hürden für jeden Einzelnen senken und die Wirksamkeit der App weiter steigern.»

Damit sich die Wirksamkeit der App erhöht, müsste sich aber nach Einschätzung von Experten auch noch eine zweite Kennzahl signifikant verbessern, nämlich die Nutzung der App selbst. Bei der Bitkom-Umfrage sagten 36 Prozent der Menschen, sie hätten die App installiert. Hochgerechnet auf die Gesamtbevölkerung wären das über 29 Millionen. Weitere sechs Prozent planen demnach, dies künftig zu tun. Insgesamt 55 Prozent der Befragten nutzen die Corona-Warn-App nicht, wovon 22 Prozent kein Smartphone besitzen. Acht Prozent haben die Corona-Warn-App bereits wieder deinstalliert, 25 Prozent haben generell kein Interesse.

Wenn aber bislang nur 36 Prozent der Erwachsenen die App auf ihrem Smartphone aktiviert haben, dann wird von denen auch nur 36 Prozent der Kontakte erreicht. Damit werden rein rechnerisch knapp 13 Prozent (0,36 x 0,36) aller Fälle erfasst. Um auf einen Wert von 50 Prozent erfasster Fälle zu kommen, müssten mehr als 70 Prozent der Erwachsenen die Corona-Warn-App verwenden. Experten verweisen in diesem Zusammenhang auch stets darauf, dass die App selbst mit den zu niedrigen Nutzungszahlen nicht irrelevant ist, denn schließlich zähle jeder einzelne Fall.

Von Christoph Dernbach, dpa