Für Netflix-Nutzer, die ein Passwort untereinander teilen, wird es bald ernst. Nach monatelanger Verzögerung will der Streaming-Riese bis Ende Juni das Vorgehen gegen Trittbrettfahrer in seinen wichtigsten Märkten starten. Das dürfte auch Deutschland einschließen. Für Nutzer, die mit dem Account-Inhaber nicht unter einem Dach wohnen, soll dann extra Geld fällig werden. Zugleich kommt das Ende für ein Relikt vergangener Zeiten, mit dem die Geschichte der Firma begann: den DVD-Verleih per Post in den USA.
Netflix geht davon aus, dass rund 100 Millionen Haushalte den Service mit Login-Daten anderer nutzen. Das ist gemessen an den 232,5 Millionen zahlenden Kunden im vergangenen Quartal ein hoher Anteil. Netflix hatte lange das Teilen von Zugangsdaten toleriert. Inzwischen gibt es im Videostreaming-Geschäft aber generell einen verstärkten Fokus auf Profitabilität, nachdem die vielen Anbieter jahrelang auf der Jagd nach höheren Nutzerzahlen waren.
Netflix erwog, schon im ersten Quartal die Maßnahmen gegen Trittbrettfahrer auf breiter Front in Gang zu setzen, wie der neue Co-Chef Greg Peters in der Nacht zum Mittwoch in einer Videokonferenz zu den jüngsten Quartalszahlen sagte. Nach dem Start unter anderem in Kanada, Portugal und Spanien im Februar legte die Firma aber eine Pause ein. Peters deutete einige Probleme bei der Umstellung an. So habe man in den vergangenen Wochen daran gearbeitet, dass Nutzer etwa bei Reisen nahtlos auf Netflix zugreifen könnten. Man habe das Gefühl gehabt, «es wäre besser, sich etwas mehr Zeit zu nehmen». Netflix macht keine Angaben dazu, wie genau die Systeme eine unerlaubte Mehrfach-Nutzung der Logins erkennen.
Abo-Modell mit Werbung
Die Preise für zusätzliche Nutzer eines Accounts außerhalb des Haushalts setze Netflix individuell für die einzelnen Märkte, sagte Peters. In Portugal waren es beim Start im Februar 3,99 Euro im Monat pro Person und in Spanien 5,99 Euro. In Deutschland dürfte der Preis eher am oberen Ende dieser Spanne liegen. Zugleich führte Netflix ein günstigeres Abo-Modell mit Werbung ein.
Netflix setzt darauf, dass die Filme und Serien im Angebot genug Anziehungskraft haben, um heutige Trittbrettfahrer zur Zahlung zu bewegen. Der Dienst fühlt sich nach den Erfahrungen in ersten Ländern darin bestärkt. Die erste Reaktion sei zwar ähnlich wie bei Preiserhöhungen der Verzicht, räumte Peters ein. In Kanada aber habe man inzwischen mehr zahlende Nutzer und mehr Umsatz als vorher.
Einen solchen Schub kann Netflix gut gebrauchen. Im ersten Quartal stieg die Kundenzahl um 1,75 Millionen. Experten hatten mit einem deutlich stärkeren Zuwachs gerechnet. Auch der Ausblick auf das laufende Vierteljahr fiel durchwachsen aus. Erst im zweiten Halbjahr rechnet Netflix mit einem Aufschwung.
Den Umsatz steigerte Netflix in den drei Monaten bis Ende März im Jahresvergleich um knapp vier Prozent auf 8,2 Milliarden Dollar. Der Gewinn sank um rund 18 Prozent auf unterm Strich 1,3 Milliarden Dollar. Im zweiten Quartal erwartet Netflix keine großen Sprünge – die Erlöse und das Nettoergebnis dürften mehr oder weniger stagnieren.
Kein DVD-Verleih mehr
Außerdem kündigte Netflix an, dass der DVD-Verleih nach rund 25 Jahren eingestellt wird. Der in Deutschland nicht verfügbare Versand per Post war das ursprüngliche Geschäftsmodell des 1997 gegründeten Unternehmens. Der Legende nach begann die Geschichte von Netflix sogar mit einem Leihvideo. Gründer Reed Hastings verlegte eine Videokassette und ärgerte sich über die Mahngebühren der Videothek, wie er später erzählte. Daraus entstand die Geschäftsidee einer DVD-Flatrate. Im Streaming-Zeitalter spielte dieser Service aber ohnehin kaum noch eine Rolle. Netflix begründete das Aus mit der geringen Nutzung.
Peters nahm auch zu einer kürzlichen Panne Stellung: Die geplante Live-Übertragung eines Treffens von Teilnehmern der Dating-Show «Love Is Blind» fiel wegen technischer Probleme aus und musste in einer Aufzeichnung verfügbar gemacht werden. Es war der zweite Livestream von Netflix nach einer problemlos verlaufenen Übertragung eines Auftritts des Comedians Chris Rock. Netflix habe danach beim Versuch, seine Technologie für Live-Übertragungen zu verbessern, einen Software-Fehler eingebaut, sagte Peters. Dieser machte sich demnach sich erst bemerkbar, als verschiedene Systeme ineinander griffen und Millionen Zuschauer auf den Stream zugreifen wollten.
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