Schutz der Urheber von Musik, Schrift und Film in der neuen digitalen Welt: Die von der EU angestoßene Reform des Urheberrechts tritt in Deutschland in eine entscheidende Phase ein. Heute behandelte der Bundestag in erster Lesung die neuen Regeln.
Kern der lange ausgehandelten Überarbeitung des Urheberrechts: Wenn Bilder, Texte oder Videos im Internet von Plattform-Nutzern hochgeladen werden, soll mehr Klarheit darüber herrschen, wer bei Verstößen verantwortlich ist. Internetplattformen werden stärker in die Haftung genommen. Mit Lizenzmodellen sollen Urheber finanziell profitieren und an der Wertschöpfung von Plattformen beteiligt werden.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach im Bundestag von einer großen Herausforderung: Freiheit der Kommunikation im Netz zu erhalten etwa bei Zitaten sowie Parodien und gleichzeitig Kreative wie Kreativwirtschaft besser an der Wertschöpfung im digitalen Raum zu integrieren. «Große Upload-Plattformen wie Youtube und Facebook sind künftig für alle Inhalte verantwortlich urheberrechtlich, die sie zugänglich machen.» Lambrecht sagte zudem mit Blick auf die Nutzer: Neue Pflichten der Plattformen dürften zugleich nicht dazu führen, dass auch erlaubte Inhalte blockiert werden.
Einige Konfliktlinien:
«EXTRAWURST» DEUTSCHLAND: Verbände ärgern sich darüber, dass Deutschland über die «Digital Single Market-Richtline» (DSM-RL) der EU hinaus Regeln an einigen Stellen näher definiert und ergänzt. Der Vorwurf aus der Musik-, Film- und Medienbranche: Das schaffe mehr Verwirrung, weil es dadurch Unterschiede zu Nachbarländern wie Frankreich gebe. Unternehmen fürchten Wettbewerbsnachteile. Die Forderung: Eine 1:1-Umsetzung der EU-Richtlinie.
Genau das wollen auch die Zeitungs- und Zeitschriftenverleger mit Blick auf das Leistungsschutzrecht für journalistische Inhalte in der Reform. Vom Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) und dem Verband Deutscher Zeitschriftenverleger (VDZ) heißt es: Keinesfalls dürfe das Gesetz Regelungen enthalten oder ausbauen, die eine unlizenzierte Entnahme relevanter Teile aus Presseprodukten und deren Darstellung durch Gatekeeper-Plattformen erlauben.
DAS ENTSCHEIDENDE TOR: Besonders laut ist die Kritik zu einem Passus einer sogenannten Bagatellregelung – Kritiker sehen hier einen solchen Sonderweg. Darum geht es: Um die Interessen von Nutzern, Urhebern und Plattformen zu wahren, aber dennoch eine alltagstaugliche Gebrauchsregel aufzustellen, soll das Hochladen sehr kurzer Ausschnitte von geschützten Werken grundsätzlich erlaubt sein: bis zu 15 Sekunden eines Filmwerks oder Laufbilds, bis zu 15 Sekunden Tonspur, bis zu 160 Zeichen eines Textes und bis zu 125 Kilobyte je eines Lichtbildwerkes, Lichtbildes oder einer Grafik. Die Zahlen schraubte der Bund nach massiver Kritik bereits nach unten.
Der Verband Privater Medien (Vaunet) erläutert: Top-Szenen zum Beispiel eines Fußballspiels oder spektakuläre Momente in TV-Shows seien zusammengeschnitten häufig nicht länger als diese Bagatellgrenze. «Das ist, gerade wenn man selber dabei ist, eigene Modelle für Plattformen aufzubauen, wo man die Leute gerne auch auf seinen Webseiten haben möchte, total schwierig», kritisiert der stellvertretende Vaunet-Vorstandsvorsitzende und Bereichsleiter Medienpolitik bei der Mediengruppe RTL Deutschland, Claus Grewenig.
ROTER KNOPF: Bei Verstößen soll es für Betroffene möglich sein, schnell mit einer Roter-Knopf-Funktion hochgeladene Inhalte wieder sperren zu lassen. Den Vorschlag kann man auch als ein Ergebnis der zahlreichen Proteste auf den Straßen vor Jahren gegen automatisierte Uploadfilter, bei denen bestimmte Inhalte vor dem Hochladen herausgefischt werden, verstehen. Es gab die Sorge, dass Meinungsfreiheit im Netz eingeschränkt werden könnte.
Die Bundesregierung hatte damals bei der EU-Richtlinie in einer nicht bindenden Protokollerklärung betont: «Ziel muss es sein, das Instrument „Uploadfilter“ weitgehend unnötig zu machen.» Verbände fragen sich aber, wie der Rote Knopf konkret und zielführend ausgestaltet werden soll.
Kritiker – etwa Stimmen aus der Opposition – sagen außerdem, dass Filtersysteme trotzdem eingesetzt werden. Der FDP-Bundestagsabgeordnete Roman Müller-Böhm sagte, eine ausdrückliche Verpflichtung für Plattformen, Uploadfilter zu verwenden, sei im Gesetzentwurf zwar nicht enthalten. Allerdings sei es «schwer vorstellbar», wie Uploadfilter nach der vorgelegten Konstruktion umgangen werden sollen.
Rechteinhaber sollen etwa einer Plattform im Vorhinein etwa anzeigen können, wenn sie nicht wollen, dass ihre Werke hochgeladen werden. Dann muss der Anbieter das Hochladen der Inhalte verhindern.
ROLLE DER VERWERTUNGSGESELLSCHAFTEN: Musik-Rechteinhaber befürchten, dass vorgesehene Lizenzverhandlungen der Verwertungsgesellschaften mit Plattformen ihre eigene Verhandlungsposition schwächen könnten. «Um auf Augenhöhe zu verhandeln, muss man bei einem schlechten Angebot schlimmstenfalls auch mal Nein sagen können», sagt Mark Chung vom Verband Unabhängiger Musikunternehmer. Für Rechteinhaber sei das einfacher als für Verwertungsgesellschaften. Ein weiterer Punkt, den auch der Bundesverband Musikindustrie betont: Der bereits bestehende Lizenzmarkt wird durch die neuen Regeln durcheinandergewirbelt. Er spricht von «Zwangskollektivierung».
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